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Aktuelles

Frankfurt am Sonntag: Wiederbelebung urbaner Öffentlichkeit

By 10. Mai 2021Mai 16th, 2023No Comments
  1. Wie man eine öffentliche Aussprache inszeniert und dabei die Diskussion verhindert

Am Sonntag, dem 25. April 2021, traf sich die hessische Regionalgruppe von 1bis19 zu einer öffentlichen Aktion in Frankfurt. Soeben hatten die Akteure von #allesdichtmachen mit ihrem aufrüttelnden, beißenden Spott vielen Kritikern der „Maßnahmen“-Politik die Hoffnung auf einen freieren Debattenraum zurückgegeben, und ein befreiendes Lachen über die Absurditäten ihrer doppelzüngig-moralisierenden Rechtfertigung noch dazu. Schnell war der moralisierende Furor über die Schauspieler selbst hereingebrochen. So wurde, am Tag vor unserer Aktion in Frankfurt, Jan Josef Liefers als Beteiligter von #allesdichtmachen zu einer WDR-Talkshow eingeladen und per Video zugeschaltet. Die dort inszenierte „Öffnung“ der Diskussion war der Demokratie freilich ganz unwürdig. Denn Liefers war geladen, um vor großem Publikum Selbstkritik zu üben. Dieses Negativ-Beispiel von Öffentlichkeit hatte ich an diesem Sonntag deutlich vor Augen:

In den Partei- und Jugendorganisationen der DDR nannte man das Ritual der Selbstkritik auch, noch beschönigender, „offene Aussprache“. Und wenn man sich offen selbstkritisch vor Publikum ausspricht, dann geht das so: Wer die mediale Macht und die politische Deutungshoheit über ein (vielleicht gar nicht so unerhörtes) Ereignis hat, in diesem Fall die Moderatorin dieses öffentlich-rechtlichen Senders, der wendet sich an die störende Person und beginnt zu sagen: „Wir wollen jetzt erst mal gut zuhören und ihnen die Möglichkeit geben, sich dazu zu erklären“.

Die Deutung des Ereignisses muss dabei, damit das Publikum nicht auf falsche Gedanken kommt, gleich zu Beginn vorgegeben werden: #allesdichtmachen „sollte“ aus Sicht der Künstler „ironisch gewesen sein, aber viele finden, das ist keine Ironie, das ist gefährlich“ (worin die Gefahr besteht, bleibt offen, Hauptsache gefährlich). Der Künstler Liefers, müde und vom öffentlichen Furor schon sichtlich gezeichnet, erklärt daraufhin den Schauspieler-Protest als „ironisch UND coronakonform“. Er entschuldigt sich für die Aktion (das tut mir leid), und als ihn dieselbe Moderatorin hämisch weiter befragt – es ginge ihm wohl nicht so gut, er sähe so mitgenommen aus – antwortet er sehr höflich (danke der Nachfrage). Immerhin schafft er es noch, den im Studio anwesenden Armin Laschet erst zur Kanzlerkandidatur, und dann zu dessen Forderung nach Transparenz zu beglückwünschen – um sich abschließend gleich noch mal zu entschuldigen (vielleicht habe ich mich übernommen).

Dann kommt der Co-Moderator ins Spiel, der laut überlegt, ob er die beanstandete Person „gut verstanden“ habe und was sie „wahrscheinlich meint“. Denn wenn man sich einmal richtig aussprechen will, ist es wichtig, der betroffenen Person zu vermitteln, dass sie sich nicht gut auszudrücken vermag und dass man sie nicht so richtig verstehen kann, weil sie selbst ja nicht ganz überblickt, was sie tut und was sie sagt, die den Unterschied von ironisch und gefährlich nicht abschätzen kann und nun auch noch ironisch, gefährlich und coronakonform verwechselt … Außerdem ist es bei einer offenen Aussprache wichtig, dass über die Person gesprochen wird, und nicht mit ihr, obwohl sie doch präsent und ansprechbar ist und man sie, bei Verständnisproblemen, der Einfachheit halber, direkt fragen könnte. Liefers blieb stumm und abgeschaltet.

Aussprache ist auch, wenn die Dramaturgie Gewährsleute zu Wort kommen lässt, die der fragwürdigen Person die moralische Integrität wiederherstellen dürfen: Laschet bescheinigte Liefers, er habe nur von seiner Kunstfreiheit Gebrauch gemacht und sei bestimmt nicht „rechts“. Liefers blieb stumm und abgeschaltet. Schließlich durfte die Tübinger Ärztin Lisa Federle, die mit ihm persönlich befreundet sei, in die Kamera sagen: „Ich weiß, was der Jan meint … Es geht ihm in erster Linie darum, Menschenleben zu retten. Ich bin Ärztin … und er denkt genauso … Er macht sich totale Gedanken um Menschen … Das hat mit AfD nichts zu tun“. Jan blieb stumm, die freie Debatte abgeschaltet.

Am 25. April war ich froh, nicht beim öffentlichen Rundfunk eingeladen, befragt, abgeschaltet, an den Pranger gestellt zu sein, sondern mit der hessischen Regionalgruppe von 1bis19 den urbanen öffentlichen Raum für Diskussionen zu öffnen. Auch wir Kritiker könnten ja die dauerhafte Verletzung der Grundrechte öffentlich anprangern, besonders der Rechte der Schwächeren in unserer Mitte, der Kinder und Jugendlichen, der Allerältesten, der Armen und prekär Beschäftigten und all derer, die demnächst zu dieser Gruppe vielleicht dazugehören, die Künstler/innen nicht zu vergessen und die Betreiber/innen der öffentlichen Lokale. Die Moral ist, ebenso wenig wie die Naturgesetze oder die Wissenschaft/en, nicht auf Seiten derer, die sie lauthals für ihre eigenen politischen Interessen reklamieren.

  1. Offen und ansprechbar sein

Wir haben den öffentlichen Raum lieber zum herrschaftsfreien Gespräch genutzt, zum Austausch von Gedanken und Meinungen. Nach dem Vorbild der „Demonstration ohne Demonstranten“ in Dingolfing (die Landauer Presse berichtete am 9. März 2021) haben wir im Günthersburgpark in Frankfurt 22 Schilder mit 22 drängenden Fragen in einem lockeren Carrée aufgestellt. So entstand, im großzügigen Entrée dieses Parks, ein offener, luftiger Schildergarten, an dem man ungehindert vorbeigehen konnte, den man auch aus sicherer Entfernung – beim Blick zurück oder von der Parkbank aus – gut beobachten konnte (um sich dann vielleicht doch zögerlich zu nähern), durch den man aber erst recht frei hindurchspazieren und -flanieren konnte. Die meisten Passanten, mit denen wir tatsächlich ins Gespräch kamen, näherten sich dann auch einigermaßen direkt und neugierig: Manche vertieften sich ins Lesen, viele machten Fotos von den Schildern. Wer sich von ein, zwei Schildern angesprochen fühlte, der erkundete sie schließlich meistens alle. Es war zu spüren, dass manche dabei nachdenklich wurden, vielleicht sogar ihre Gewissheiten bei sich selbst leise in Frage stellten.

Zu diesem Zweck waren die Fragen von der Gruppe absichtlich provozierend formuliert worden (alle Fragen unten): „Ist „alternativlos“ demokratisch? Fühlen Sie sich bevormundet? Machen wir bei der nächsten Grippewelle auch einen Lockdown?“ – mit solchen Reizwörtern wie „Grippe“ und „demokratisch“. Zugleich beruhen diese Fragen auf Informationen darüber, was die aus dem öffentlichen Rundfunk gecancelten Wissenschaftler/innen zur Sache beizutragen haben: Etwa, dass man eine Viruserkrankung mit der Sterblichkeit von 0,15% nicht zwingend als „Pandemie“ bezeichnen muss, wenn man das politisch-mediale Interesse an der Angsterzeugung einmal beiseite lässt: „Wieso spricht man von einer Pandemie, wenn 99,85% der Erkrankten überleben?“, beruhend auf der letzten, bis zu 60 Länder (seriös) vergleichenden Studie von John Ioannidis (Stanford University). Durch die öffentlich-rechtlichen Informationsversäumnisse leben die Spaziergänger/innen im städtischen Park, genauso wie die Familien, Freundeskreise, ehemaligen Café- und Theaterbesucher/innen, mittlerweile in einer geteilten Öffentlichkeit (Ulrike Guérot). Die Befürworter verstehen nicht mehr, was die Kritiker sagen; der Austauschbedarf dazwischen könnte größer kaum sein.

Da Menschen es nun am liebsten selbst bestimmen, ob und wann sie mit einer fremden Person in den Dialog gehen, ließen wir es darauf ankommen, dass sie von sich aus auf uns zukamen: „Können wir über das Thema diskutieren? Darf ich Ihnen meine Meinung zu Ihren Fragen sagen?“ Sogar Jogger/innen kamen auf uns zu. Mindestens zwei von ihnen nahmen sich bis zu einer Stunde ihres sportlichen Lebens Zeit, um zu diskutieren und respektvoll auszuloten, wo man einer Meinung war und wo nicht. So sportlich soll es zugehen in einer modernen Demokratie! Weitere Stimmen in der vielfältigen Diskussion lauteten so:

– Eine junge Frau sprach mich an: „Eigentlich bin ich total links eingestellt, aber was hier passiert, lässt mich fassungslos zurück und ich erkenne die Politik nicht wieder, die ich bislang als meine ‚Heimat’ angesehen habe“. Ich erwiderte, dass mir dies genauso ginge – nur aus der anderen Richtung. Sie sah mich verdutzt an, als ich erklärte, dass dies Alles doch noch was Gutes habe. Linke reden mit Konservativen und umgekehrt, weil wir erkennen, dass unser aller Lebensweise massiv bedroht ist.

 

– Ein älterer spanischer Herr schilderte mir ausführlich, wie viel schlimmer die Restriktionen und das Durchgreifen der Polizei in Spanien seien. Mit Tränen in den Augen berichtete er, dass er sich nicht impfen lassen wolle, weil er Angst habe; ihm bliebe aber keine Wahl, weil er doch seine Familie in Spanien wiedersehen wolle …

– Ein Mann war ungehalten über die Aktion. Auf Nachfrage erzählte er von einem Kollegen, der mit COVID auf einer Intensivstation liege. Er beruhigte sich schnell wieder, nachdem ich ihm mein Bedauern darüber ausdrückte und ihn zugleich fragte, ob er die Maßnahmen für gerechtfertigt halte, die die Existenzen von Millionen Menschen zerstöre.

– Eine Frau empörte sich sichtlich über das Schild mit der Frage „Macht Einsamkeit nicht auch krank?“, indem sie laut und wie um sich selbst zu überzeugen sagte: „Ich bin doch überhaupt nicht einsam!“. Sie rief das nur im Vorbeigehen. Ich musste mich fragen: Hat denn Corona dazu geführt, dass manche nur noch sich selbst sehen, betroffen fühlen und nur noch mit sich selbst sprechen, wie in einem Tunnel?

Keine schlechte Idee war es, Bekannte vom Ort einzuladen, die zu ihrer eigenen Meinung auch noch eine Offenheit mitbringen. Dann ergibt es sich nämlich, dass auch jene, die an der Aktion eigentlich völlig unbeteiligt sind, miteinander ins Gespräch kommen: Da nähert sich eine Frau mit streng anliegender FFP2-Maske zweien, die schon miteinander reden, und fragt, vermutlich ohne die Schilder im Einzelnen gelesen zu haben: „Aber die Krankheit ist doch gefährlich? Und die U-Bahn ist morgens so voll, da muss man immer Maske tragen“. Darauf ein Mann aus dem Gespräch: „Ach, sie kommen sicher aus dem Iran, diesen Akzent kenne ich doch!“. Die Frau strahlt übers ganze Gesicht, das man nur leider gar nicht sehen kann. Sagt der Mann: „Ja, aber jetzt können sie die Maske doch mal abnehmen. Sie müssen doch hier draußen auch mal Luft holen“. Da nimmt die Frau ihre Maske ab, zeigt ihr Lachen, und setzt sie wieder auf, aber viel lockerer, um weiter im Gespräch zu bleiben …

… Zweimal kam die Polizei vorbei und sah die Auflagen eingehalten. Aber was wir zweifellos alle in Erinnerung behalten, das sind die ungezählten erhobenen Daumen, die spürbare Erleichterung bei vielen Passanten, der große Zuspruch: „Klasse! Sehr gute Fragen! Starke Aktion! – Endlich tut jemand etwas gegen diesen Irrsinn!“ – feuerte uns eine alte Dame an. Sogar Verfechter einer Lockdown-Politik zeigten sich vereinzelt aufgeschlossen. Diejenigen von uns, die mit ihnen sprachen, fanden es nützlich, in dieser Situation auf konfrontative Gegenthesen zu verzichten. Die Bereitschaft dazu kam ihnen wie ein „Türöffner“ für den Dialog vor, durch den möglicherweise mehr Menschen bereit sind, ihre eigene Haltung zu hinterfragen. Die Fragen sind ja provokativ genug. Ist man dann einmal im Gespräch, ergibt sich durchaus die Möglichkeit, die Provokation zwar stehen- und weiterwirken zu lassen, aber nicht noch bis zur Aggressivität zu verstärken. So ergaben sich kontroverse Diskussionen, die respektvoll blieben. Einmal kam das Thema auf China, und da eine der Aktivistinnen aus Taiwan kommt, verlagerte sich das Gespräch schnell auf den China-Taiwan-Konflikt. Ein sehr konzentriertes Gespräch, das zwei Stunden anhielt und auf Umwegen die Frage nach Demokratie und Menschenrechten doch in seinem Mittelpunkt hatte.

Plötzlich klebten ein paar Antifa-Aufkleber auf unseren Schildern; und obwohl wir deren Botschaft teilen (nie wieder Faschismus), fanden wir sie doch unpassend und haben sie entfernt. Ein „Verpisst-Euch-Sonst-Passiert-Was“ konnten wir überhören; die Bitte, wir sollten doch ab jetzt jeden Sonntag da sein, dagegen kaum. Denn auch wir haben uns ja sehr gefreut zusammenzukommen. Am Ende konnten wir zwei junge Leute (beide unabhängig voneinander) für das folgende Regionaltreffen gewinnen. Langsam sei es unerträglich, nichts zu tun. Und: Viele kritische Netzwerke müsse es geben, je dezentraler der Protest, desto besser.

Für mich persönlich bestand ein schöner Begleiteffekt darin, mein eigenes Stadtviertel zur Abwechslung einmal wiederzuerkennen: Das Frankfurter Nordend, dieses quirlige Familien-, Alltags-, Ausgehviertel für Jüngere und Ältere, mehr und weniger Bemittelte, mit vielen Berufen, Beschäftigungen, Kulturen, wo in den Cafés und Parks und auf großen Plätzen normalerweise so viele Begegnungen möglich sind und Menschen ein Interesse aneinander haben, auch an der politischen Auseinandersetzung.

Ach ja, und übrigens passierte die Aktion nur einen Tag, bevor Dietrich Brüggemann im Welt-Interview (vom 26.4.) zeigen konnte, dass man auch im öffentlichen Rundfunk die Grundrechte und ihre Abwägung selbstbewusst einfordern und entwürdigende Formate der öffentlichen Selbstkritik und Bevormundung klug konterkarieren kann. Jede und jeder kann das, überall im öffentlichen Raum.

  1. Fragen für eine „Demonstration ohne Demonstranten“

1)    Ist „alternativlos“ demokratisch?

2)    Fühlen Sie sich bevormundet?

3)    Interessieren sich Politiker für unsere Gesundheit?

4)    Panik oder Besonnenheit – was verbreiten die Medien?

5)    Was wünschen sich alte Menschen?

6)    Wieso gibt es in Ländern ohne Lockdown keine erhebliche Übersterblichkeit?

7)    Wieso werden Verstorbene getestet, aber nicht obduziert?

8)    Machen wir bei der nächsten Grippewelle auch einen Lockdown?

9)    Warum wird medizinische Infrastruktur ab- statt aufgebaut?

10)    Welche Folgen haben anhaltende Kontaktbeschränkungen für  unsere Gesellschaft?

11)    Warum werden Schäden aufgrund der Corona-Maßnahmen nicht genauso betrachtet wie

COVID-Schäden?

12)    Machen Einsamkeit und Existenzangst nicht auch krank?

13)    Was macht das alles mit unseren Kindern?

14)    Warum sprechen Regierende zu uns Bürgern wie zu kleinen Kindern?

15)    Warum isolieren wir geimpfte alte Menschen weiterhin?

16)    Welche Aussagekraft hat der Inzidenzwert?

17)    Welche Aussagekraft hat ein positives PCR-Testergebnis?

18)    Ist COVID nicht nur eines von vielen Lebensrisiken?

19)    Fühlen Sie sich durch die Medien umfassend und ausgewogen informiert?

20)    Kann man von Pandemie sprechen, wenn 99,85% der Erkrankten überleben?

21)    Wieso zählen Verkehrsunfalltote mit positivem Testergebnis als Coronatote?

22)    Ist es für Sie akzeptabel, die Grundrechte Ungeimpfter dauerhaft einzuschränken?

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