Nur Arbeit, kein Vergnügen
Nun also wieder Lockdown. Berlin verwandelt sich im grauen November in eine trostlose Ansammlung von Häusern. Nur Arbeit, kein Vergnügen. Es sei denn, jemand arbeitet für das Vergnügen anderer. Dann hat er oder sie nicht einmal mehr Arbeit.
Wie lange soll das noch weitergehen? Bis in alle Ewigkeit, immer wieder Lockdowns? Bis die Bevölkerung durchgeimpft ist? Wie lange halten wir das durch, wirtschaftlich und psychisch? Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat bereits vor Lockdowns als Maßnahme gewarnt.
Wie lange kann man den Menschen das Menschsein verbieten: sich näherzukommen, sich zu umarmen, zusammen zu feiern? Werden wir auf diese Weise alle – frühe oder später – zu Gesetzesbrechern, weil wir diese Art der Existenz – ich sage bewusst nicht „Leben“ – nicht mehr aushalten? Oder wird ein neuer Mensch herangezüchtet, ein Heer von Schizoiden, deren Leben primär digital – vor dem Bildschirm – stattfindet. Was uns abverlangt wird, ist zutiefst wider die menschliche Natur.
Hilfsscheriffs sollen nun auf diejenigen angesetzt werden, die sich nicht an die Coronaregeln halten. Kurzausgebildete mit herrschaftlichen Befugnissen. Jede*r, der/die sich halbwegs in der Geschichte auskennt, weiß, dass dies einen bestimmten Menschenschlag anzieht – diejenigen, die „sonst nichts zu melden haben“ -um es mal salopp zu formulieren- und die endlich mal mit einem Quäntchen Macht ausgestattet werden und es kaum erwarten können, diese auch auszuspielen. Das hatten wir schon mal, in den zwölf schwärzesten (braunsten) Jahren der deutschen Geschichte.
„Die Maske muss sexy werden“, sagt gestern der Virologieprofessor Hendrick Streeck, der sich ansonsten eher durch moderate Ansichten ausgezeichnet hat. Herr Streeck, verarschen kann ich mich auch alleine. Die Maske ist hässlich und bleibt hässlich – auch, wenn ihre Farbe zur Jacke passt oder drei Glitzersteinchen darauf geklebt werden. Gerade für Kinder ist es extrem wichtig, die Mimik des Gegenübers zu lesen, lesen zu lernen. Ansonsten wächst uns eine Generation mit sozialen Defiziten heran. Das weiß ich als Psychologe. Das weiß ich als Mensch. Längst ist das Maske tragen zu einer Art Bekenntnis geworden, Bekenntnis zur Regelkonformität. Wer es nicht tut, gilt als „asozial“, als Egoist – ohne zu hinterfragen, ob es demjenigen vielleicht nicht möglich ist, aus medizinischen Gründen.
Eine Gegenöffentlichkeit muss man suchen. Hervorgetan hat sich aus meiner Sicht eine deutschsprachige, aber dennoch ausländische Zeitung, die Neue Züricher Zeitung, die durchaus auch Andersdenkende zu Wort kommen lässt. Ansonsten lese ich überwiegend Einheitsmeinung, einschließlich der Betitelung anders denkender als Wirrköpfe, „Verschwörungstheoretiker“ oder „Covidioten“. Gleichzeitig ist es zum Teil extrem schwierig, seriöse kritische Stimmen von solchen zu unterscheiden, die in der Tat Verschwörungstheorien verbreiten.
Dass die Sterblichkeit des SARS Cov2-Virus bislang überschätzt wurde, geht aus einer Studie der WHO hervor, die am 7. Oktober dieses Jahres veröffentlicht wurde. Dieses Faktum wird von unserer Regierung geflissentlich ignoriert, von der Mehrheit der Medien meinem Eindruck nach ebenso. Einzelfälle, bei denen eine Covid19-Erkrankung auch bei jüngeren Menschen dramatische – gar tödliche -Folgen hatte, werden medial hingegen ausgeschlachtet, um der Bevölkerung weiterhin den nötigen Respekt vor der Erkrankung einzuflößen. Meinem Eindruck nach gelingt dies, auch bei Menschen mit höherer Bildung, die ansonsten alles kritisch hinterfragen.
Eine optimale Lösung habe ich selbstverständlich auch nicht. Ich bin kein Virologe, kein Epidemiologe und kein Mediziner. Als studierter Psychologe (und Mensch) weiß ich jedoch, was soziale Isolation und Misstrauen – gerade über längere Zeit – mit Menschen machen. Auch weiß ich, dass der Mensch als solcher Nähe und Berührungen braucht und bewegte Bilder auf dem Bildschirm des Computers diese nicht ersetzen können – längerfristig schon mal gar nicht.
Als Historiker weiß ich, dass Situationen, wie wir sie im Moment haben, Gesellschaften spalten und nachhaltig schädigen können. Wo sind die kritischen Stimmen bei den Grünen, bei den Linken? Ist es denn möglich, dass sich primär Parteien kritisch äußern, die sich ansonsten vornehmlich durch Neoliberalismus im einen und Fremdenfeindlichkeit im anderen Falle auszeichnen? Wir müssen sehr wachsam sein und bleiben, um ohne allzu große Coronateralschäden aus dieser Krise herauszukommen.
Bereits seit März ist mir klar, dass das Löschwasser keinen größeren Schaden anrichten darf als das Feuer. Es wird gerade wieder viel Löschwasser verbraucht – für ein zugegebenermaßen wieder aufgeflammtes Feuer. Leider geschieht das genau so unreflektiert wie im März und April dieses Jahres.